Projektorkalibrierung

Vorwort. WOW-Effekt

Nach der HD-Euphorie von den letzten zwei Jahren die sich im Internet breit gemacht hat, war ich natürlich scharf darauf die hochauflösenden Bilder im eigenem Heimkino zu sehen und zu erleben.

Irgendwann habe ich ein Abo für PremiereHD und DiscoveryHD abgeschlossen und gleichzeitig eine Playstation3 angeschafft um das neue Format endlich genießen zu können.

Danach kam die Enttäuschung. Der WOW-Effekt ist bei mir komplett ausgeblieben. Okay, alles etwas schärfer, sauberer und kontrastreicher. Mich hat aber kein Schlag getroffen (wie viele andere) und meine Augen sind mir nicht ausgefallen.

Meinen ersten WOW-Effekt habe ich erst nach der ersten Projektorkalibrierung erlebt, wo der Beamer zum ersten Mal das richtige Weiß darstellen konnte.

Je mehr ich mich mit der Materie befasste und je besser das Bild wurde, desto klarer war für mich was wirklich für ein visuelles Erlebnis wichtig ist.

Natürlichkeit und Realismus

Wenn man dem Gehirn durch natürliche Bilder eine gewisse Realität vortäuschen kann und wenn sich der Eindruck einstellt beim Filmeschauen nicht auf eine Leinwand zu starren sondern eher aus einem Fenster nach draußen zu schauen, erst dann macht es richtig Spaß.

Für Natürlichkeit und Realismus im Bild sorgt in erster Linie die Fähigkeit des Beamers richtiges Weiß darzustellen. Auch primäre, sekundäre Farben und Helligkeitsverlauf sind sehr wichtig.

Um zu verstehen wie die modernen Projektoren wirklich funktionieren und was die zahlreichen Regelmöglichkeiten wirklich bewirken, habe ich viel Zeit investiert. Internet und zahlreiche Foren waren dabei sehr behilflich.

Nachdem unser Beamer richtig eingestellt war, habe ich fast bei jedem Film, unabhängig davon ob es SD- oder HD-Material war, meine persönlichen WOW-Effekte gehabt.

Irgendwann nach wochenlangen Messorgien war es soweit. Wie jeden Montag haben wir uns mit meiner Frau in unserem Heimkino bequem gemacht um uns eine neue Folge von LOST auf PremiereHD reinzuziehen. Der Projektor war zu diesem Zeitpunkt perfekt eingestellt und ich war ganz gespannt welche Wirkung es auf meine Frau haben wird.

Nach ca. 30 Minuten habe ich sie dann gefragt wie sie das Bild findet. Nach 30 Sekunden habe ich dann die Antwort gekriegt.

DU............................. DASS IST MIR JETZT ZU UNHEIMLICH, ICH MUSS HIER RAUS!!!

Das war für mich DIE Bestätigung dass ich alles richtig gemacht habe.

Der Anfang

Irgendwie haben mich die Jungs von Cine4Home mit Ihren Berichten und getunten Beamern schon immer beeindruckt. Da ich jetzt wieder etwas Zeit habe will ich auch an die Sache ran um meinem angestaubten Hitachi TX200 eine Kalibrierung zu verpassen.

Der Beamer wurde bei einem bundesweit bekannten Händler erworben und war von Anfang an mit einem rosaroten Filter ausgestattet. Umfangreiche Messergebnisse und Dokumentationen über das Tuning habe ich natürlich von diesem Händler erhalten.

Der Projektor hat inzwischen über 1200 Stunden auf der Lampe und das Bild ist leider nicht mehr das was es am Anfang war.

Nach ca. 400 Stunden waren im Bild auf einmal deutliche Verfärbungen zu erkennen (Shading). Nach 700 Stunden hat die Leuchtkraft der Lampe deutlich nachgelassen und nach 1000 Stunden hat sich, wie ich es vermute, auch das Spektrum der Lampe deutlich verändert. 
 
Das Bild ist derzeit matt, hat einen deutlichen Grünstich und die Farben wirken verfremdet. 

Nach der langen Suche im Internet musste ich leider feststellen, dass es über die Kalibrierung oder das Tuning von Projektoren nur sehr wenig zu finden ist. Gefunden habe ich paar Beiträge bei Beisammen.de und im HiFi-Forum. Das hat mir trotzdem sehr geholfen und ab da habe ich gewusst welche Richtung ich gehen muss. Als Messsensor war der Spyder2 von ColorVision am günstigsten zu bekommen. Als Software habe ich HCFR-Programm von homecinema-fr.com runtergeladen. Die Software entspricht im Umfang der von ColorFacts, ist selbsterklärend und intuitiv benutzbar.

Freeware HCFR

HCFR ist eine kostenlose Software für Windows (2000, XP und Vista). Das Programm wurde durch französisches Heimkino-Forum entwickelt und arbeitet unter anderem auch mit dem Spyder2 Sensor von ColorVision. Die benötigten Testbilder gibt es bei homecinema-fr.com als GetGray Kalibrierung-DVD zum downloaden.

Spyder2 von ColorVision

Den Sensor kann man in einem von mehreren Sets von ColorVision erwerben. Das billigste Paket ist wohl Spyder2Express. Ich habe mich aber für Spyder2Pro entschieden da in dem Paket eine Stativhalterung enthalten ist und die Software zum erstellen von ECC Profilen am PC umfangreicher und hochwertiger ist als die vom Spyder2Express. Der Sensor hat eine USB-Schnittstelle und funktioniert unter Windows 2000, XP und Vista.

Was man noch braucht

Eine Test-DVD (Peter Finzel DVD) um Kontrast, Helligkeit und Farbsättigung einzustellen, ein Fotostativ  und eine USB-Verlängerung für den Sensor.

Erläuterung zu den verschiedenen Grundbegriffen: 

RGB: Abkürzung für Rot/Grün/Blau

Hue, Tint: Farbton

Saturation: Farbsättigung

Chroma: Farbreinheit, Buntheit

D65-Punkt: Der Referenzwert der Farbtemperatur im Videobereich, liegt genau bei 6504 Kelvin

Farbtemperatur: Sie beschreibt wie „kalt“ oder „warm“ die angezeigte Graustufe gegenüber dem Zielwert D65 mit 6504 Kelvin ist.

IRE´s, Helligkeitsstufen: Das sind die einzelnen Graustufen (meist 11) der Grauskala als Einzelbild.

xyY Daten: Das sind die RAW-Daten die Sensoren ausgeben. Das x und y geben die Koordinaten im CIE Farbkoordinatensystem an. Das Y gibt die Helligkeit in candela pro m² an, mit der Steigerung der Y-Werte einzelnen Graustufen kann man den Gammaverlauf bestimmen.

Grauskala: Die bekannten stufigen Testbilder zeigen die einzelnen Stufen der Grauskala in den R/G/B-Grauwerten von jeweils 16 bis 235 an. 16 - dunkelstes Schwarz, 0IRE und 235 hellstes Weiß, 100IRE.

Primary´s und Secondary´s: Farben Rot/Grün/Blau sind die Primärfarben. Die Secondary´s sind ein Ergebnis von den primären-Bezugspunkten im jeweiligen Farbraum und des Mittelpunktes der jeweiligen Strecke von einem Primary zum anderen. Beispielsweise ergibt der Mittelpunkt der Strecke von Rot zu Blau Magenta, Rot zu Grün = Gelb, Grün zu Blau = Cyan. Sie sind eine Mischung aus den Primary´s.

Gamut, Colorspace, Farbraum: ist der Farbraum (PAL, NTSC, HD) der genau angibt wo die Primary´s im CIE Farbkoordinaten-System zu liegen haben. Die Secondary´s ergeben sich dann wie oben beschrieben wieder aus diesen Koordinaten.

Device Kontrast: Der Maximalkontrast eines Displays der aber vernünftig eingestellt oder gar kalibriert nie zu erreichen ist. Es werden die extremst möglichen Einstellungen für schwarz und weiß genommen um ihn zu ermitteln.

On/Off Kontrast: Der Maximalkontrast eines kalibrierten Displays bei Messung mit schwarz (0IRE) und weiß (100IRE).

Ansi-Kontrast: Der Kontrast eines kalibrierten Displays bei Messung mit den Ansi-Testbildern. Diese beiden haben jeweils schwarz/weiß Quadrate deren Position von Testbild zu Testbild gegeneinander vertauscht ist. Der ersten Messung auf ein weißes Quadrat folgt die zweite Messung auf ein schwarzes Quadrat. Die zwei Helligkeitswerte ergeben durch Teilung des hohen durch den niedrigen Wert den Ansi Kontrast.

RGB-Cut Bias, Offset, Helligkeit: Hat in erster Linie Auswirkung auf die unteren Bereiche des Gammaverlaufes (0-40IRE) und des RGB-Trackings des jeweiligen Farbkanals. Cut „verbiegt“ die Gammakurve/ RGB-Tracking im unteren IRE- Bereich.

RGB-Gain, Kontrast, Zunahme, Gewinn: Hat in erster Linie Auswirkung auf die oberen Bereiche des Gammaverlaufes (50-100IRE) und des RGB- Trackings des jeweiligen Farbkanals. Gain „verbiegt“ die Gammakurve/ RGB- Tracking im oberen IRE- Bereich.

Gamma: Hat in erster Linie Auswirkung auf den Gammaverlauf über den gesamten IRE Bereich. Gamma „verbiegt“ die Gammakurve über den gesamten IRE-Bereich.

Gammaverlauf: Das Gamma als reiner Zahlenwert beschreibt die Steigung über die gesamten Helligkeits- oder Graustufen. Der Wert alleine sagt noch nichts über einen sauberen Gammaverlauf aus. Der Gammaverlauf zeigt den Verlauf bzw. die Steigerung der einzelnen Helligkeitsstufen über den gesamten Helligkeitsbereich. Als grobe Orientierung kann man sagen: Bei einem komplett schwarzen Kinoraum nimmt man eher ein Gamma von 2,5, bei einem Wohnzimmerkino mit hellen Wänden eher ein Gamma von 2,2.

Clipping: Es kommt vor wenn ein oder mehre der RGB-Farbkanäle ihr Minimum oder Maximum vor dem niedrigsten bzw. höchsten Wert der Darstellung erreichen.

Absaufen: Das Schlucken von Bildinformationen zwischen zwei Helligkeitsstufen oder auch im unteren, oberen Helligkeitsbereich. Kann durch Clipping oder einen schlechten Gammaverlauf verursacht werden.
 

Vor dem Kalibrieren

1. Spyder2 Software am PC installieren. Sensor am USB-Port anschließen und Windows den Treiber laden lassen.
2. HCFR Software downloaden und installieren.
3. Datei cvspyder.dll aus dem ColorVision-Ordner in HCFR-Ordner kopieren. Die muss im gleichen Verzeichnis wie das HCFR.exe sein.
4. GetGray-DVD als ISO-Datei downloaden und auf eine DVD brennen.
5. Bei der Bildquelle sollte alles Bildbeeinflussende im Bereich Gamma und Farben auf Neutral gestellt werden. RGB-Level sollte der 
Videonorm entsprechen (16-235)
6. Am Projektor Kontrast, Helligkeit und Farbsättigung mit Test-DVD (z.B. Peter Finzel) einstellen. RGB-Level sollte, so wie bei der Bildquelle, der Videonorm entsprechen (16-235)
7. Projektor mindestens 20 Minuten laufen lassen so das die Betriebstemperatur erreicht wird.
8. Am Spyder2 der Aufsatz mit der Wabe und dem Grün-Blauen-Filter anbringen.
9. Spyder2-Sensor an einem Stativ befestigen und gegenüber dem Beamer in einem Abstand von 1 bis 2 Meter aufstellen. Der Sensor sollte Richtung Objektiv schauen. Für die erste Messung reicht es vollkommen aus wenn man direkt und nicht reflektiv von der Leinwand misst.
10. HCFR-Software starten, neues Dokument anklicken und in folgenden Fenstern „DVD manuell“ und „Spyder2“ wählen. Im Spyder2 Fenster sollte man Kalibriermodus LCD wählen, Zeit auf 100 ms setzen und „Lesezeit bei dunklen Messungen erhöhen“ aktivieren.
Im Menü Referenzen RGB-Level 16-235, Weiß D65, Farbraum HDTV (REC 709) und Gamma 2.2 wählen.

Erste Messung

Am Projektor ist alles auf 0, Farbtemperatur 6500K, Gamma Standard, dynamische Iris aus, feste Iris auf 5.

Die Kontrastmessung ist nicht wirklich berauschend ausgefallen. Nativer Kontrast liegt bei 1:576, Ansi-Kontrast bei 1:26 und dynamischer Kontrast mit Iris auf Auto1 bei 1:1301

Farbraum HDTV-REC 709


Das Ergebnis ist dabei als enttäuschend zu bezeichnen. Grün und alle sekundären Farben liegen völlig daneben. Eine akkurate Bilddarstellung ist dabei nicht möglich. Leider lässt sich der Grünanteil des Farbraumes mit dem Color Management nicht verbessern.

RGB-Histogramm



Das erklärt warum das Bild einen Grünstich hatte. Das ist weit weg von der Videonorm entfernt. Mehr als 40% zu viel Grün im Bild und das bei 6500K Einstellung am Projektor.

Farbtemperatur-Histogramm


Auch hier wird die Norm nicht eingehalten. Im Schnitt liegt die Farbtemperatur bei 6800 Kelvin.

Gamma


Deswegen wirkte das Bild so flau. Der Gammaanstieg liegt nur im mittleren Bereich bei 2.2. In hellen und in dunklen Bereichen liegt das Gamma deutlich drunter. In unserem Heimkino sollte man eher Gammaanstieg von 2.4 anstreben.

Die Kalibrierung

1. Als erstes mit der Peter Finzel-DVD Helligkeit und Kontrast einstellen. Vorgehungsweise ist in dem beiliegenden Buch ausführlich beschrieben.

2. Im HCFR Dauermessung wählen und mit Hilfe von 20IRE, 50IRE, 80IRE-Testbilder der RGB-Verlauf mit Hilfe des RGB-Equalizer grob einstellen. Der TX200 lässt sehr einfach auf einen sehr guten D65-Abgleich trimmen. Einfach Weiß mit den "High"-Reglern abstimmen, dann Mittelgrau mit den "Mid"-Reglern und zuletzt dunkle Graustufen mit den "Low"-Reglern. Die einzelnen Bereiche interagieren nur wenig miteinander. Nach nur wenigen Minuten kann man ein fast schon perfektes Ergebnis erzielen.

3. Wenn alle drei Grundfarben in diesen drei Heligkeitsberechen bei ungefähr 100% liegen, wieder von vorne anfangen und über den gesamten Helligkeitsverlauf kontrollieren. Mit etwas Geduld kriegt man die Farbtemperatur im gesamten Helligkeitsverlauf nahezu perfekt auf D65 abgestimmt.

4. Mit der Finzel-DVD Helligkeit und Kontrast überprüfen.

5. Weiter geht’s an den Farbraum. Leider lassen sich die Primärfarben bei dem TX200 nicht wirklich beeinflussen. Nur auf sekundäre hat man mit dem Parameter Farbton Einfluss. Aber auch hier kann man kein 100% Ergebnis erzielen.

6. Gamma. Für den richtigen Bildeindruck bzw. Punch ist die richtige Gammaeinstellung wichtig. In einem sehr gut abgedunkelten Heimkino sollte das Gamma eher um 2.5 als um 2.2 liegen. TX200 bietet einen Gamma-Equalizer mit dem verschiedene Helligkeitsbereiche unabhängig voneinander geregelt werden können. Das Prinzip des Equalizers ist sehr einfach: jeder Regler entspricht einer gewissen Graustufe, einem gewissen Helligkeitsbereich. Nach einer vollständigen Graustufenmessung kann man dann leicht das Gamma anpassen.



7. Sind die RGB-Verlauf, Farbtemperatur, Farbraum und Gamma zufriedenstellend eingestellt, dann nochmals die Helligkeit, Kontrast und Farbsättigung überprüfen und gegebenenfalls korrigieren.

Da die verschiedenen Parameter sich gegenseitig beeinflussen, sind mehrere Messdurchläufe unumgänglich. Ich musste das Spiel mindestens 3-mal wiederholen bis alles gepasst hat.

Hier noch ein Rat: DOKUMENTATION! GANZ WICHTIG! Alle Werte notieren bevor man anfängt zu verstellen. Auch die Zwischenschritte sollte man immer notieren. So kann man alles wieder zurückstellen wenn es völlig daneben gegangen ist.

Nach der Kalibrierung

Nativer Kontrast bei D65 liegt bei 1:542, Ansi-Kontrast bei 1:26 und dynamischer Kontrast mit Iris auf Auto1 bei 1:1216. Warum ist der Kontrastumfang des Projektors nach der Kalibrierung etwas schlechter geworden? Ganz einfach. Da jetzt nicht mehr so viel Grün im Bild vorhanden ist, hat der Projektor etwas an der maximalen Helligkeit und somit auch am Kontrast verloren.

Das Bild sieht jetzt schon klasse aus! Natürliche, kräftige Farben und durch bessere Gammaanpassung sehr schöner Kontrast.

Cine4Home-Tuning

Ich habe damals den Projektor mit Cine4Home-Tuning gekauft. Allerdings landete der Filter nach paar Monaten in der Schublade. Das Bild hat mir nicht mehr gafallen. Es war zu dunkel und kontrastarm. Damals habe ich die Geschichte mit dem Tuning als Geldmacherei abgetan. Nun wollte ich jetzt prüfen ob doch was dran ist.

Also Filter gereinigt, auf das Objektiv gesetzt, Beamer in Hochhell-Modus und gemessen. Und das kamm nach der Kalibrierung raus:

Farbraum

RGB-Verlauf



Farbtemperatur 6500K



Gamma 2.4


Der Kontrast! Fast eine Verdopplung! Der native Kontrast liegt jetzt bei 1:991. Der Ansi-Kontrast bei 1:48 und der On-Off bei 1:2215.

Und was macht die Helligkeit? Im Vergleich zur Kalibrierung ohne Filter habe ich hier eine 10%-ge Steigerung gemessen.

Was war damals los? Ich habe den Filter nach ca. 600 Betriebsstunden abmontiert da das Bild im Vergleich zum Standardmodus sichtbar schlechter war. Ich vermute das durch den Verschleis an der Lampe sich der Spektrum so verändert hat dass die Farben nicht mehr gepaßt haben. Dazu habe ich bei ca. 500 Stunden eine Shadingkorrektur gemacht was die Farben nochmals verändert hat.